Darss
- einmal drumherum im Spätherbst
Facts
Allgemeine
Tips
Anreise:
Bahn & Bus: bis zum Bahnhof Ribnitz-Damgarten West, ab dort
per Bus (1x pro Stunde, die Abfahrt ist meist gut auf den Zug abgestimmt)
auf den Darss
Auto: von Rostock aus nach Ribnitz-Damgarten auf der B105, in
Altheide zum Darss abbiegen.
Paddeln:
Sicherheitsmaßnahmen wie auf jeder Salzwassertour. Unsere längste
Strecke ohne Ausstiegsmöglichkeit war die Umrundung von Darsser
Ort (ca. 10 km), ansonsten kann man fast überall leicht an Land
(es sei denn bei ablandigem Wind etc.).
Die gesamte Boddenlandschaft ist noch relativ jung und dynamisch. An
der gesamten Westküste von Fischland und dem Darss wird Land abgetragen,
das am Darsser Ort wieder angelegt wird. Es lohnt sich, für den
Darss einen Tag Paddelpause einzulegen und die Landschaft des Neudarss
an Land zu erschliessen. Hier wird einem klar, mit welchen Methoden
das Meer neues Land anlegt und auch wieder abträgt. Sichelförmige
Sandbänke sind aktuell am Darsser Ort zu erahnen (über die
Karte): diese werden zuerst angelegt, meist ein Strandsee miteingeschlossen,
dann siedeln sich zunehmend mehr Arten an. Aus Meer ist Land geworden.
Aus früheren Zeiten sind diese Landschaftsformen auf Luftbildern,
Karten oder in freier Natur zu besichtigen.
Eine weitere
Besonderheit der Landschaft ab Darsser Ort ostwärts sind die Windwatts.
Es gibt dort an der Küste durch ständige Neuaufspülung
von Sand oft großräumige, sehr flache Wasserflächen.
Wenn der Wind längere Zeit in bestimmte Richtungen geweht hat,
fällt der Meeresspiegel zwar nur unwesentlich. Es reicht aber,
um große Gebiete teilweise oder völlig trockenfallen zu lassen.
Diese Gebiete sind oftmals Brut- und Rückzugsgebiet für Wasservögel
(namentlich der Große Werder).
Im Bereich der Bodden sollte man sich genau an die Angaben der Seekarte
halten oder gleich die Fahrrinnen benutzen, hier ist mit Wassertiefen
zwischen 10cm und 1m zu rechnen. Außerdem gibt es meist ausgedehnte
Schilfflächen am Ufer, so daß man nicht überall anlanden
kann (und sollte - Schilf ist auch im Herbst Lebensraum für viele
Wasservögel, die hier überwintern). Der Darss gehört
teilweise zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, entsprechende
Landungs- und Befahrungsverbote existieren (siehe Landkarten).
Im Herbst / Winter hat man nur eine kurze Tageslichtzeit
fürs Paddeln. Spätestens um 3 Uhr fängt es an zu dämmern,
je nach Bewölkung kann es schon um 4 fast dunkel sein. Man sollte
also entsprechend früh aufstehen (vielleicht sogar noch im Dunkeln),
um mehr Zeit für seine Tagesstrecke zur Verfügung zu haben.
Gleichzeitig sollte man sich entweder auf Nachtfahrten einstellen (Stirnlampe
o.ä. griffbereit) oder akzeptieren, dass man weniger Strecke als
im Sommer machen kann.
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© tangram Documents GmbH 2000
Ausrüstung:
Wir haben wegen der kalten Luft- und Wassertemperaturen (offiziell hatte
das Wasser 7°C, fühlte sich aber kälter an) im Boot Trockenanzüge
getragen, außerdem Neosocken und -schuhe, Paddelpfötchen,
Südwester bzw. normale Woll- und Fleecemütze.
Die Neosocken und Schuhe haben sich unseres Erachtens nicht bewährt:
beim Starten und Landen, aber auch beim Überwinden von flachen
Stellen muß man ins Wasser. Die Schuhe und Socken bleiben auch
über Nacht naß, so dass man eigentlich ständig mit nassen
und manchmal kalten Füßen im Boot sitzt. Eine Blasengeschichte
ist da fast unvermeidlich. Ich denke darüber nach, mir an meinem
Trockenanzug Füßlinge aus Latex (so volumig, dass auch ein
oder mehrere Paar Socken drunterpassen) befestigen zu lassen. Von Gummistiefeln
o.ä halte ich persönlich beim Paddeln weniger.
In jedem Boot befand sich eine elektrische Lenzpumpe, in meinem
Boot zusätzlich eine Seesocke. Ich hatte außerdem
einen Treibanker auf meinem Vordeck befestigt, wir haben ihn aber leider
nie bei entsprechenden Windbedingungen ausprobiert. Die Boote waren
mit selbstgebauten und brandungsdichten (!) Spritzdecken versehen, außerdem
gab es an beiden Booten eine Sicherheitsleine, Ersatzpaddel auf Deck
etc.
Zur Sicherheit führten wir einen Bootswagen mit, der sich bei dem
Umsetzen von der Ostsee in den Prerower Strom gut bewährte.
Neben der Paddelkleidung hatten wir der Jahreszeit angepaßte
Lagerkleidung dabei, so dass wir jeden Abend bald in trockene und
warme Klamotten schlüpfen konnten. Trotz oder gerade wegen der
Nähe zum Wasser kann es nachts empfindlich kalt werden, es gibt
an der Küste die eher unangenehme feuchte Kälte. Wir hatten
einen Kunstfaser- (Mountain Equipment Skywalker I - etwas zu kalt) und
einen Daunenschlafsack (Yeti ..., immer schön warm) dabei. Die
Schlafsäcke nahmen jede Nacht viel Feuchtigkeit auf und
konnten auch morgens und abends nicht vernünftig abtrocknen. Ein
Daunenschlafsack wird da nach mehreren Nächten evtl. an seine Grenzen
kommen. Unter den Schlafsäcken lagen etwas dickere selbstaufblasende
Isomatten.
Als Zelt hatten wir ein Tunnelzelt mit erweiterter Apsis dabei.
Gerade bei Regen ist so eine große Apsis Gold wert, wir haben
allerdings immer draußen gekocht und gegessen.
Ein Benzinkocher ist kältetauglich, wir haben in drei Tagen
ca. 1l verbraucht (für Tee, Kaffee, Essen, Klamotten trocknen etc.).
Aber auch ein Trangia-Kocher wird bei Minus-Temperaturen noch gut funktionieren
(ich habe mit meinem schon bei -20°C gekocht).
Karsten hatte ein GPS dabei, gut für das Verfolgen der zurückgelegten
Kilometer, der Abdrift durch Strömung und Wind, der aktuellen Paddelgeschwindigkeit
etc. Mir leistete ein Suunto Orca Bootskompass gute Dienste.
Essen:
Viel heißer Tee war an Bord, außerdem leicht Energie gebende
Müsliriegel und Brote. Bei solchen Temperaturen verlierst der Körper
viel Energie für Fortbewegung und Körperwärme, man sollte
also regelmäßigst essen und trinken (haben wir auch öfter
vergessen). Wie auf jeder Herbst / Wintertour steigt der Bedarf des
Körpers an Fett in der Nahrung. V.a. abends sollte fettreich gegessen
werden, um nachts ordentlich heizen zu können. Natürlich in
Verbindung mit den nötigen Kohlenhydraten, sonst kann das Fett
nicht verwertet werden. Morgens kann der Fettanteil dann ruhig geringer
sein, Kohlenhydrate sollten dann in Massen zugeführt werden.
Informationen:
Ansprechpartner:
Marian Gunkel
- Deutsche
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS):0421/537070 -
zuständig für alle Seenotfälle. In der Seenotleitung Bremen, 0421/536870,
werden alle Seenotmeldungen und die entsprechenden Rettungsaktionen
koordiniert.
Direkt geschaltete Notrufnummer vom Handy aus: 124124 (ohne Vorwahl).
- Wasserschutzpolizei
Mecklenburg-Vorpommern:
0381/12360
Karten
/ Literatur:
-
Fischland-Darss-Zingst
1:75 000 (ISBN 3-928397-05-2): zeigt gute Land-Details und als
einzige der normalen topographischen Karten Wassertiefen (leider in
zu großen Intervallen, "unter 2m" ist die geringste
angezeigte Wassertiefe). Seezeichen sind leider überhaupt nicht
abgebildet, aber v.a. für die Umrundung von Darsser Ort sehr
wichtig.
-
Ostsee
- Darss-Zingst 1:60 000 (Stadt & Land Verlag): keine Wassertiefen,
aber z.T. mehr Landdetails als Fischland-Darss-Zingst
-
Wasserwanderatlas
Mecklenburgische Gewässer und Boddengewässer
(Kompass-Karten GmbH 2000, ISBN 3-85491-608-6): zeigt die Boddenregion
leider nur im Maßstab 1:200 000 und schneidet große Teile
des Darss ab (die Kartenschnitte wurden fast unverändert aus
dem DDR-Wasserwanderatlas entnommen - grenznahe Regionen wurden damals
gar nicht oder absichtlich verfälscht dargestellt). Dafür
werden zumindest auf der Boddenseite die Seezeichen abgebildet.
- Land-
und Seekarte Zingst-Darss-Fischland 1:75 000
(Delius Klasing Verlag): eigentlich das beste aus allen Welten. Vorwiegend
Wasser-Informationen (sehr gut differenzierte Wassertiefen, Seezeichen
etc.), aber auch ausreichende Landinfos (sollte trotzdem durch eine
topographische Karte ergänzt werden). Ringgebunden, kleines Kartenmaß
(unter A4).
-
Der Delius-Klasing-Verlag bringt auch grossformatige
Sportbootkartensätze
von den betreffenden Gebieten heraus. Ein solcher Kartensatz deckt die
Hälfte der mecklenburgischen Küste ab und kostet knapp unter
100 DM. Neue Kartensätze kommen jedes Jahr im März/April in
den Handel. Für den Darss, v.a. aber Fischland empfiehlt sich Delius Klasing-Sportbootkarten, Satz.2, Vorpommern, Bornholm.
- Kreiskarte
1:100 000 (Landesvermessungsamt Mecklenburg-Vorpommern) bzw. auch
die 1:50 000er topographischen Karten des Landesvermessungsamtes: sie
zeigen detailliert alle wichtigen Landinformationen, daneben auch detailliert
Wassertiefen und Schutzgebietsgrenzen. Karsten empfiehlt, sich die gesamten
MecPom-Karten auf CD-ROM zu besorgen (unter 100 DM) und dann den entsprechenden
Tourenbereich auszudrucken. So kann gleichzeitig vorher und hinterher
mit dem GPS operiert werden (waypoints eintragen/nachtragen etc.).
-
"Untiefen
aus der Luft": Von Warnemünde bis Hiddensee (Hoffmann,
B. & Steffen, R., Pietsch-Verlag 1998, ISBN 3-613-50306-9): Kurzbeschreibungen
der Küstenabschnitte mit ausgiebigen Luftaufnahmen der (stark
veränderlichen) Küstenabschnitte und Boddengewässer,
dazu Ausschnitte aus Seekarten des BSH.
-
Fischland,
Darß und Zingst aus der Luft (1996 Nicolai-Verlag, ISBN
3-87584-590-0): eher für eine Einstimmung auf das Paddelgebiet
geeignet, mehrheitlich Luftaufnahmen von Städten, Häusern.
Aufschlußreicher Einführungstext zu Geographie, Entstehungsgeschichte,
Besiedelungsgeschichte der Region.
-
Fischland,
Darss und Zingst - ein Reiseführer (1998 Grünes
Herz, ISBN 3-929993-57-0): normaler Reiseführer zur Region "für
Wanderer, Wassersportler, Rad- und Autofahrer"
-
BLV
Naturführer Nordsee und Ostsee (BLV 1999, ISBN 3-405-15328-X):
leider nur einige Seiten zum Darss, v.a. sind Wanderungen beschrieben.
Hauptaugenmerk liegt auf den einzelnen Spezien, die man vor Ort finden
kann.
-
Nationalpark
Vorpommersche Boddenlandschaft
(1994 Hinstorff Verlag, ISBN 3-356-00567-7): Bildband zum gesamten
Nationalpark, ausführlicher Vortext zu den einzelnen Landschaften,
deren Entstehung und Veränderung sowie dem Anliegen des Nationalparks.
Sehr gelungene Naturaufnahmen der Landschaft zu allen Jahreszeiten.
-
Meereskunde
der Ostsee (1995 Springer Verlag, ISBN 3-540-59351-9): wissenschaftlicher
Band zur gesamten Ostsee. V.a. wichtig und interessant die Kapitel
zur Geologie und Geographie (Küstenformen etc.), Meteorologie
und Ozeanographie. Ausgezeichnet für Hintergrundinfos!
Die
Tour
Teilnehmer:
Karsten Friedrich, Marian Gunkel
Boote: 2 E65 (beide mehr 45 Jahre alt)
Route: Ahrenshoop - Darsser Ort - Prerow - Wieck - Althagen (ca.
56 km)
Wetter
auf unserer Tour:
Sonntag: 4-7 Grad, sonnig bis bewölkt; SO bis SW 3
Montag: 2-7 Grad, bewölkt, etwas Regen; SW 3-4
Dienstag: 4-6 Grad, sonnig bis bewölkt; S 4-5
Vorgeschichte:
In einem Bericht zu einer Hiddenseeumrundung
hatte ich leichtsinnig den Vorschlag einer Winterumrundung Rügens erwähnt.
Karsten fragte per email im Herbst 99 nach, ob die Wintertour noch aktuell
sei. In diesem Winter war ich aber für ein halbes Jahr in Großbritannien.
Im Sommer 2000 trafen wir uns dann endlich persönlich in Berlin und paddelten
im September das erste Mal auf einem Faltboottreffen am Darss zusammen.
Karsten kam da gerade von einer Rügenumrundung zurück mit der Erfahrung,
dass eine Umrundung im Winter nicht einfach werden sollte. So entschieden
wir uns für eine mehrtägige Probetour im Spätherbst.
Zunächst wollten wir nach Hiddensee, dann gefiel uns aber aus logistischen
und Neuheitsgründen die versammelte Fischland-Darss-Zingst-Halbinsel.
Und Ende November war es dann soweit!
Die ganze
Woche vorher habe ich den Wetterbericht gecheckt, Segelbücher und Luftaufnahmen
sowie Karten vom Darss studiert. Außerdem haben Karsten und ich frühzeitig
eine gemeinsame Ausrüstungsliste aufgestellt.
Endlich los: Wir kommen gegen 21 Uhr in Ahrenshoop an, zelten auf einem
Parkplatz nördlich von Ahrenshoop. Noch ein kurzer Spaziergang zum Strand,
sehr wenig Wellen. Nach einem kleinen Abendbrot gehen wir schlafen. Mir
ist die ganze Nacht lang sch...kalt (ich war während der ganzen Tour
mächtig erkältet), außerdem kurven öfter Autos auf unseren Parkplatz,
ziehen dann aber wieder ab.
Nach einer
kurzen Nacht stehen wir gegen 7.30 Uhr auf. Ein ausführliches Frühstück
mit Linsensuppe und Brot, dann fährt Karsten erst mal Benzin und Tee kaufen,
ich baue das Zelt ab. Parkplatz- und Aufbauplatzsuche in Ahrenshoop, wir
dürfen auf einem Hotelparkplatz bleiben. Das Aufbauen dauert etwas länger:
gegen 12 Uhr kommen wir endlich los. Die obligatorischen Bemerkungen der
Strandgänger ignorieren wir so gut es geht, einige beruhigen wir zusätzlich.
Das Wetter sieht gut aus, morgens hatte es noch Frühnebel gegeben, bald
kommt die Sonne raus und spätestens beim Bootaufbauen wird uns beiden
gut warm.
Es
herrscht kaum Wind, die Wellen kommen aus Süden. Zunächst fahren wir nur
langsam an der Küste entlang, die bald wilder wird: die Buhnen verschwinden,
es tauchen mehr und mehr Windflüchter und angespülte Holzhaufen auf, später
liegen auch ganze Bäume am Strand. Bis zum Leuchtturm Darsser Ort ist
die Küste Abtragungsküste, spätestens seit der Einrichtung des Nationalparks
"Vorpommersche Boddenlandschaft" darf das Meer hier ungestört Baumeister
spielen. Wir fahren an abgebrochenen Uferzonen und abgestorbenen Bäumen
vorbei.Dann
kommt der Leuchtturm Darsser Ort in Sicht.
Zuerst sehen
wir nur ein altes, mächtiges Seezeichen und ein direkt am Ufer stehendes
Gebäude, später kommt auch der rustikal aussehende Leuchtturm sowie ein
neumodischer riesiger Mastbaum in Sicht.
Ab ca. Höhe
Leuchtturm halten wir direkt auf die Tonne "Darsser Ort West"
zu, die anfänglich wegen des Dunstes kaum zu sehen ist. Bald haben wir
jedoch den winzigen Strich am Horizont ausgemacht, eine Kompasspeilung
hilft, sie nicht wieder aus den Augen zu verlieren. Schnell entfernen
wir uns von der Küste, der Wellengang nimmt spürbar zu, bleibt aber friedlich.
Ein Schiff der Küstenwache kommt näher, dreht aber wieder ab und hinterlässt
nur ein paar Kabbelwellen.
 
Dann ist
auch schon Tonne West erreicht: schnell ein paar Bilder geschossen, dann
suchen wir nach der Osttonne.
Ein großes
Sand- und Seegebiet nördlich und nordöstlich von Darsser Ort ist NP-Kernzone:
Zutritt nicht gestattet. Auch Ignoranten würden das Eindringen in
diese Kernzone schnell bereuen. Ein Großteil des Gebiets ist entweder
Windwatt (fällt bei entsprechender Windrichtung und -dauer trocken) oder
so flach, dass man nicht vernünftig paddeln, geschweige denn segeln oder
motorbooten kann. Indem man einen großen Bogen unter Zuhilfenahme der
Seezeichen fährt, bleibt man sicher außerhalb des Bereichs der Kernzone
sowie der Untiefen. Allerdings sollte man für diese Fahrt Wind, Strömung
und Wellen im Auge behalten, außerdem die eigene Kondition. Immerhin ist
es eine Strecke von 10,5 km ohne Anlandemöglichkeit auf einer Route, deren
Kurs um 270° wechselt.

Kartenausschnitt
aus der BSH-Seekarte
Der
Weg zur Osttonne wird lang. Von Süden her zieht eine Regenfront auf, die
sich aber später auflöst.
Nur eine kurze Pause an der Tonne, da die Sonne kurz vor dem Untergehen
ist und uns die Strömung schnell nach Norden aufs offene Meer versetzt
(da hilft auch mein Treibanker nichts, wir haben ja wenig Wind). Wir entscheiden
uns auf den Nothafen Darsser Ort zuzuhalten, da wir so frei von den Untiefen
paddeln würden. Die Wellen und die Strömung versetzen uns jedoch gut nach
NW, so dass wir kräftig nach SE korrigieren. Mittlerweile geht fast direkt
voraus die Sonne unterhalb einer Wolkenschicht als dicker roter Ball unter.
Sonst sicher sehr schön, finden wir den Anblick eher besorgniserregend,
wir sind ja noch mehr als zwei Kilometer vom dunstigen Land entfernt.
Wir passieren mehrere Fischernetze, gekennzeichnet durch rote Fahnen (leider
schon zu schwaches Licht). Dann passieren wir die Ansteuerungstonne Darsser
Ort Nothafen und halten uns ein ganzes Stückchen östlich davon, um anzulanden
und einen Platz zum Übernachten zu suchen.
Im Halbdunkel
landen wir an einem breiten Stück Windwatt an, es sind noch ca. 200 m
durch Sand, Schlamm und Pfützen bis zum eigentlichen Strand. Dahinter
schlagen wir das Zelt auf und schleppen zuerst die schwersten Packsäcke,
dann die Boote zum Zelt. Erstmal einen heißen Tee aus der Thermoskanne,
dann vom innen eklig nassen und dann auch kalten Trockenanzug in trockene,
warme Klamotten schlüpfen. Um uns wieder richtig aufzuwärmen, joggen wir
erst ein Stück, dann gibt es Abendbrot (erst eine Gemüsebrühe, dann Pasta
mit Tomaten-Knoblauchsauce, zum Schluss Kaffee).
Kurzer Anruf
bei Meggie, dass alles okay ist, dann verziehen wir uns zum Lesen und
Karte anschauen ins Zelt und in die warmen Schlafsäcke (während des Draußensitzens
ist mir ganz schön kalt geworden, trotz mehrfacher Schichten übereinander).
Beim Kartenstudieren
überlegen wir uns mehrere Alternativen. Wegen unseres frühen Abfahrtermins
übermorgen entschließen wir uns dagegen, wieder auf derselben Route bis
Ahrenshoop zu paddeln oder bis zum Ende von Zingst. Stattdessen werden
wir bis Prerow fahren, dort in den Prerower Strom umtragen und auf der
Boddenseite bis kurz vor Ahrenshoop paddeln. Karsten legt sich um 9 schlafen,
Marian um kurz nach 10. Morgen wird es nochmal lang werden (ca. 25 km,
im Vergleich zu den heutigen 23).
Nach einer
gut durchschlafenen Nacht (uns war beiden angenehm warm) frühstücken wir
ausgiebig. Der Himmel sieht grau aus (und wird im Laufe des Tages noch
viel grauer), aber es sind warme 6°, der Wind ist ablandig und es regnet
nicht. Leider dauert das Packen, Boote übers Windwatt an's Wasser tragen
und umziehen länger als gedacht, so dass wir erst gegen 11 Uhr auf dem
Wasser sind. Karsten
packt schon jetzt den Bootswagen auf Deck, so dass wir später beim Umtragen
schneller sind. Trotzdem sehen wir uns zunächst den Nothafen Darsser Ort
an.
Es liegen
nur einige Fischerboote sowie ein SAR-Kreuzer von der DGzRS vor Anker,
der Mensch an Bord des Kreuzers grüßt freundlich auf unser Nicken hin.
Alles hat einen merkwürdigen DDR-Charme - die rostigen Spundwände, die
Boote, die Anlagen und Baracken.
Zwischenbemerkung:
Die NVA hatte in den 60er Jahren wider damals geltene Naturschutzgesetze
einen Hafen ins Naturschutzgebiet gebaut, seitdem muß die Fahrrinne
wieder und wieder ausgebaggert werden. Dieser Hafen ist mitten in einem
hochdynamischen Küstengebiet und verursacht jedes Jahr hohe Unterhaltungskosten,
ganz zu schweigen von dem Eingriff in die Kernzone des Nationalparks.
Der WWF, seit 1994 Betreiber des Nothafens, setzt sich für die baldige
Schließung und den Rückbau des Hafens ein. Ein Alternativhafen
vor Prerow ist in Planung, aber laut einem Bericht des WWF vom November
2000 noch nicht genehmigt. Ein Hafen in diesem Gebiet ist für uns
Paddler v.a. sekundär wichtig: als Liegeplatz für einen strategisch
günstig plazierten SAR-Kreuzer. Ich habe also, im Gegensatz zu vielen
Seglern, überhaupt nichts gegen die Schließung des Nothafens
(sobald ein neuer Hafen bezugsfertig ist). Ein Schandfleck wird allerdings
auch nach dem Rückbau des Nothafens bleiben: der Campingplatz "Regenbogencamp",
mit Wohnwagen mitten in den Dünen, tausenden Besuchern im Sommer
so nahe an der Kernzone. So ein Riesencampingplatz ist auch für Paddler
nicht gerade einladend.
Wir
machen uns auf den Weg nach Prerow. Der Wind schiebt aus südwestlicher
Richtung, die Wellen nehmen so dicht unter Land nur wenig zu. Trotzdem
können wir öfter ein wenig surfen.
Dann ist
auch schon die Seebrücke Prerow da, wir halten Ausschau nach dem richtigen
Anlandepunkt. Eine hohe Düne weist uns den Weg und wir landen wirklich
punktgenau am Übergang zum Prerower Strom (etwas östlich vom höchsten
Dünenpunkt). Leider sind auch hier die Wellen nicht besonders hoch,
so dass die Landung nur ein wenig Spaß bringt. Hinter dem Dünenübergang
ist eine zweispurige Straße, dahinter ist auch gleich der Prerower Strom,
der uns in den Bodden bringen wird.

Prerower Strom
- Blick nach Süden
Bis zum 17.
Jh. hatte der Bodden über den Prerower Strom noch Verbindung zum Meer,
dann verlandete dieser Zugang. Anhand der Topographie kann man heute noch
vermuten, wo der Strom ins Meer mündete. Direkt am Strom entlang führt
ein Weg, ca. 150 m in Richtung Prerow findet sich auch ein geeigneter
Einsetzplatz. Nacheinander holen wir die Boote, essen noch eine Kleinigkeit
und dann geht's weiter, auf dem Strom.
Der plötzliche
Wechsel vom Meer zum Binnengewässer ist ernüchternd. Draußen konnte man
sich glauben machen, an einem etwas kühleren Sommer- oder Frühherbsttag
zu paddeln. Hier im Binnenland erinnert der Himmel, die grauen und braunen
Farbtöne der Bäume und des Schilfs ständig daran, dass wir im Spätherbst
sind und der warme Frühling noch sooo lange weg ist.
Etwas melancholisch gestimmt paddeln wir auf dem kräftig mäandernden Strom.
Noch sind wir vor dem südlichen/südwestlichen Wind geschützt, doch nach
einer 120° Kurve knüppeln wir gegen den Wind.
Dann geht's
hinaus auf den Bodden. Es ist immer grauer geworden, bald fängt es immer
wieder an zu nieseln. Wir paddeln langsam in Richtung Wieck, weil wir
noch Wasser bunkern müssen und setzen immer mal wieder auf dem flachen
Boddenboden auf.
Hier muss man sich wirklich gut an die Karteninformationen halten oder
den Schifffahrtsrinnen folgen. Einige Kilometer gegen den 4er Wind gepaddelt,
dann laufen wir in Wieck ein. Auch hier scheint der Wasserstand niedriger
geworden zu sein: als Karsten im Sommer von hier aus zur Rügenumrundung
startete, kam er noch direkt bis zum eigentlichen Strand; jetzt lassen
wir die Boote 10 m vor dem Ufer auflaufen. Wasser geholt, dann geht's
weiter.
Die Zeit
ist weit fortgeschritten, es ist jetzt, gegen 15.30, schon dämmerig. Wir
werden also ganz sicher nicht mehr bis Ahrenshoop kommen. Auf den Campingplatz
in Bliesenrade (der jetzt sicher schon geschlossen hat) haben wir beide
keine Lust. So suchen wir uns in der Bucht nördlich von Bliesenrade einen
Platz und finden im letzten Licht auch einen guten Anlandeplatz mit Zeltmöglichkeit
gleich dahinter.
Das Zelt
ist fix aufgebaut. Wie immer ist es jetzt besonders eklig, aus dem nassen
und dann auch bald klammen Trockenanzug und dem darunter getragenen nassen
Fleece sowie den nasskalten Neosocken und -schuhen hinauszukommen. Halbnackt
hüpfen wir auf dem kalten Waldboden herum und bemühen uns, möglichst schnell
in die trockenen Lagerklamotten zu kommen und uns aufzuwärmen. Zur Unterstützung
gibt es dann schnell etwas zu essen (Linsen), dann zaubert Karsten gleich
darauf Thüringer Rostbratwürste mit Senf und Brot. Dazu gibt es an diesem
Abend 2 Liter Glühwein: das reicht zum Aufwärmen!
Wir verziehen
uns nach dem Abendessen bald ins Zelt und in die Schlafsäcke. Leider macht
dann auch die Gaskartusche der Gaslampe schlapp.
Wir hatten sie an den Abenden zuvor wegen ihrer schwachen Leistung immer
wieder einmal in heißes Wasser getaucht, worauf sie gleich doppelt so
hell brennen konnte - für einige Minuten. Für Gas ist es jetzt schon fast
zu kalt. Gut, dann lesen wir halt nur mit den Stirnlampen. Um 9 Uhr mache
auch ich das Licht aus, es war ein langer Tag und wir wollen morgen früh
raus.
Um 6.30 Uhr
klingelt der Wecker, draußen ist es noch dunkel. Karsten hat wie immer
ausgezeichnet geschlafen, mir war dagegen zu Anfang viel zu warm, gegen
Morgen dann wieder viel zu kalt. Erkältungen machen beim Zelten keinen
Spaß. Bald teilt mir Karsten auch den Grund meines Frierens mit: das Gras
ist gefroren, ebenso die Bootsoberflächen. Später taut es dann aber wieder.
Noch einmal ein reichhaltiges Frühstück (Gulasch mit Käsebrot), dann packen
wir und zwängen uns ächzend in die noch feuchten, kalten Klamotten (sie
zuvor mit dem Kocher aufzuwärmen und zu trocknen, hatte nicht viel Erfolg
gebracht). Die Neoschuhe sind so kalt, dass wir uns Tee in die Schuhe
gießen, um die Füße aufzuwärmen ....
Um
9.00 Uhr sind wir trotzdem auf dem Wasser.
Im
Gegensatz zu gestern ist es heiter bis sonnig, auch der Wind kommt zunächst
mit maximal 2 Stärken aus Süden. Mit einer kurzen Unterbrechung (am Nadelhaken
mussten wir die Boote wieder kurz über den flachen Boden treideln) paddeln
wir an Born vorbei, treideln uns wieder zwischen den Borner Bülten hindurch
und sind auf dem Saaler Bodden. Weit streckt sich das Wasser, v.a. im
Südwesten sieht man kaum noch Fischland. Der Wind hat zugenommen und kommt
von der Seite, mit 3-4 Windstärken. Die Wellen brechen manchmal und sind
recht kurz, doch nie bedrohlich.
Schnell kommt
Ahrenshoop näher (Karsten misst den ganzen Tag 6-8 km/h mit dem GPS),
wir versuchen immer wieder, die großen Wellen herauszupicken, um zu surfen.
Einige Male gelingt es, mit den beladenen Booten auf der Vorderseite einer
Welle zu reiten, jedesmal bringt es einen Superspaß und eine abartig schnelle
Beschleunigung.

 

Dann
laufen wir mit den Wellen im Hafen von Althagen ein, Ahrenshoop befindet
sich gleich daneben. Hier scheint schon lange keine Saison mehr zu sein:
außer uns ist nur noch ein Fahrgastschiff und zwei Boddensegler im Hafen.
Wir sind
spät dran, Karsten muß heute noch bis ins Erzgebirge zurück. Also bauen
wir schnell die Boote auseinander, Karsten geht das Auto holen und um
13.30 Uhr sind wir leider, leider schon auf dem Weg zurück nach Rostock.
Es dauert
zwar noch einige Tage, bis alles wieder getrocknet ist, aber wir würden
beide gern so schnell wie möglich wieder paddeln gehen ... .
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